Bundesgerichtshof
Beschluss
ZPO § 711 Satz 2, § 709 Satz 2
Der auf Grund des Urteils vollstreckbare Betrag, der die
Bemessungsgrundlage für die Sicherheit nach § 711 S. 2 iVm § 709 S. 2 ZPO ist,
umfasst neben der Hauptforderung auch Nebenforderungen, insbesondere bereits
aufgelaufene Zinsen, die bis zur Vollstreckung angefallen sind, oder auch die
Kosten des Rechtsstreits, soweit sie bereits durch einen
Kostenfestsetzungsbeschluss beziffert sind.
BGH, Beschluss vom 13.11.2014 - VII ZB 16/13
In dem Zwangsvollstreckungsverfahren
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. November 2014 durch die Richter Dr. Eick, Halfmeier, Dr. Kartzke, Prof. Dr. Jurgeleit und die Richterin Graßnack beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Schuldner gegen den Beschluss der
9. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 15./21. Februar 2013 wird
zurückgewiesen.
Die Schuldner haben die Kosten des
Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.
Gründe:
I.
1
Die Gläubiger haben am 13. Mai 2011 den Erlass eines
Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses aufgrund eines vorläufig vollstreckbaren
Berufungsurteils des Oberlandesgerichts F. vom 13. April 2011 beantragt, mit
dem die Schuldner zur Zahlung von 6.047.796,30 € nebst 4 % Zinsen aus einem
Betrag von 270.941,93 € seit dem 23. Februar 1996 bis zum 18. Februar 1998, aus
einem Betrag von 2.709.370,60 € seit dem 19. Februar 1998 bis zum 22. April
2001 und aus 6.047.796,30 € seit dem 23. April 2001 verurteilt worden waren.
Nummer 5 des Urteilstenors lautet auszugsweise: "Das Urteil ist vorläufig
vollstreckbar. Die Beklagten dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung
in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden,
wenn nicht die Kläger zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu
vollstreckenden Betrages leisten."
2
Nachdem die Schuldner mitgeteilt hatten, dass sie zwei
Prozessbürgschaften über insgesamt 9.877.343,10 € gestellt hatten, hat das
Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - mit Beschluss vom 20. Januar 2012 den
Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses zurückgewiesen.
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Hiergegen haben die Gläubiger sofortige Beschwerde eingelegt
unter anderem mit der Begründung, die gestellte Sicherheit sei angesichts der
Hauptforderung von 6.047.796,30 €, bis 14. März 2012 aufgelaufener Zinsen
(3.000.761,71 €) und der Verpflichtung, 110 % des Vollstreckungsbetrages
leisten zu müssen (Gesamtbetrag somit 9.953.413,81 €), unzureichend.
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Die Schuldner hatten zudem Vollstreckungsgegenklage erhoben.
Nach Vorlage eines den Annahmeverzug der Schuldner beseitigenden Angebots haben
die Gläubiger die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung anerkannt. Das
Oberlandesgericht F. erklärte daraufhin die Zwangsvollstreckung aus seinem
Berufungsurteil vom 13. April 2011 durch Anerkenntnisurteil vom 6. Juni 2012
für unzulässig. Danach haben die Gläubiger das Verfahren auf Erlass eines
Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses und das Beschwerdeverfahren für erledigt
erklärt. Die Schuldner sind der Erledigung entgegen getreten und haben die
Zurückweisung der sofortigen Beschwerde beantragt.
5
Das Beschwerdegericht hat die Erledigung des Verfahrens
festgestellt, die Kosten des Verfahrens den Schuldnern auferlegt und die
Rechtsbeschwerde zugelassen.
II.
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Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO
statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache
keinen Erfolg.
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1. Das Beschwerdegericht ist - soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren
noch von Bedeutung - der Auffassung, dass die von den Schuldnern gestellte
Sicherheit in Höhe von 9.877.343,10 € nicht geeignet gewesen sei, die
Zwangsvollstreckung der Gläubiger abzuwenden, weil hierfür eine
Sicherheitsleistung von mindestens 9.953.413,81 € erforderlich gewesen sei.
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Im Tenor der der Vollstreckung zugrunde liegenden
Entscheidung des Oberlandesgerichts F. vom 13. April 2011 sei die Abwendung der
Zwangsvollstreckung von einer Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des
aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abhängig gemacht worden (§ 711
Satz 2, § 709 Satz 2 ZPO). Letzterer setze sich aus der Hauptforderung, den
bislang aufgelaufenen und den zukünftigen Zinsen sowie den Anwalts- und
Gerichtskosten zusammen. Der Zuschlag von 10 % diene dem Schutz des Gläubigers
vor weiteren Schäden, die durch den Vollstreckungsaufschub entstehen könnten,
nicht aber der Absicherung der aufgelaufenen und zukünftigen Zinsen und Kosten.
Die vereinzelt auch in der Literatur vertretene Rechtsmeinung der Schuldner,
der "aus dem Urteil zu vollstreckende Betrag" umfasse nur die
Hauptforderung und der Zuschlag decke die Zinsen und etwaige Kosten ab, sei
angesichts des eindeutigen Wortlautes des Gesetzes und ausweislich der Gesetzesbegründung
abzulehnen. Vielmehr verdeutliche gerade der vorliegende Fall, dass die nach
Schuldneransicht zu stellende Sicherheit (110 % von 6.047.796,30 € =
6.652.575,90 €) dem Schutz der Gläubiger nicht gerecht werde, denen bereits
Forderungen in Höhe von über 9 Mio. € zugestanden hätten.
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2. Das hält der rechtlichen Überprüfung stand.
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Der Antrag auf Feststellung der Erledigung des Verfahrens
nach einseitiger Erledigungserklärung der Gläubiger ist begründet, weil die
sofortige Beschwerde begründet gewesen wäre. Der Antrag der Gläubiger auf
Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses durfte nicht mit der
Begründung zurückgewiesen werden, dass die Schuldner die zur Abwendung der
Zwangsvollstreckung nach § 711 Satz 2 in Verbindung mit § 709 Satz 2 ZPO
angeordnete Sicherheit in ausreichender Höhe geleistet hätten.
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a) Die Anordnung der Sicherheit zur Abwendung der
Zwangsvollstreckung für die Schuldner aus dem vorläufig vollstreckbaren Titel
des Oberlandesgerichts F. vom 13. April 2011 entspricht in ihrem Wortlaut der
gesetzlichen Vorgabe in § 711 Satz 2 in Verbindung mit § 709 Satz 2 ZPO. Danach
ist die Sicherheit "in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund
des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten".
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Streitig ist, ob mit diesem Betrag nur die Hauptforderung
gemeint ist und der prozentuale Zuschlag auch Zinsen und Kosten abdecken soll
(so MünchKommZPO/ Krüger, 2. Aufl., ZPO-Reform, § 709
Rn. 3; MünchKommZPO/ Götz, 4. Aufl., § 709 Rn. 5; OLG
Celle, NJW 2003, 73) oder ob damit die aus dem Urteil insgesamt zu
vollstreckende Forderung mit Hauptforderung, Zinsen und Kosten erfasst sein
soll (so Musielak/Lackmann, ZPO, 11. Aufl., § 709 Rn. 5; Gehrlein, MDR 2003,
421, 429). Nach dieser Ansicht deckt der prozentuale Zuschlag nur den möglichen
weiteren Vollstreckungs- bzw. Verzögerungsschaden ab.
13
Letzteres ist richtig.
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aa) Nach dem Wortlaut des Gesetzes
ist der "auf Grund des Urteils vollstreckbare Betrag"
Bemessungsgrundlage für die Sicherheit. Das sind neben der Hauptforderung auch
Nebenforderungen, insbesondere bereits aufgelaufene Zinsen, die bis zur
Vollstreckung angefallen sind, oder auch die Kosten des Rechtsstreits, soweit
sie bereits durch einen Kostenfestsetzungsbeschluss beziffert sind. Alle diese
Beträge können (nur) auf Grund des Urteils vollstreckt werden.
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Es besteht kein Anlass, die Vorschrift einschränkend
auszulegen.
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bb) Die nach dem Gesetz
vorgesehene Sicherheitsleistung eines Schuldners zur Abwendung einer
Vollstreckung unterscheidet sich von einer vom Gläubiger nach § 709 Satz 2 ZPO
direkt oder in Verbindung mit § 711 Satz 2 ZPO zu leistenden Sicherheit
dadurch, dass dort Sicherheit im Verhältnis zur Höhe des "jeweils zu
vollstreckenden Betrages", hier dagegen des "vollstreckbaren
Betrages" zu leisten ist. Hiermit ist ausgedrückt, dass der Schuldner im
Gegensatz zum Gläubiger keine Möglichkeit bekommen soll, Teilsicherheiten (zur
teilweisen Abwendung einer Vollstreckung) zu leisten. Da der Gläubiger in den
Fällen des § 708 Nr. 4 - 11 ZPO ohne Sicherheitsleistung vollstrecken darf, ist
es gerechtfertigt, vom Schuldner zu verlangen, dass er in Höhe des gesamten
vollstreckbaren Betrages Sicherheit leistet, wenn er die Zwangsvollstreckung
nach § 711 ZPO abwenden will (vgl. BT-Drucks. 14/6036, S. 125).
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Der im Sinne von § 709 Satz 2 ZPO "zu vollstreckende
Betrag" ist dagegen dann mit dem aus dem Urteil "vollstreckbaren
Betrag" identisch, wenn der Gläubiger die Geldforderung aus einem Urteil
nicht nur teilweise, sondern vollständig vollstrecken möchte. Es macht für
keinen Beteiligten einen Unterschied, ob es sich hierbei um Hauptforderungen
oder Nebenforderungen, etwa bezifferte Kosten oder Zinsen, oder die in einem
Kostenfestsetzungsbeschluss (§ 794 Abs. 1 Nr. 2, § 795a,
§ 798 ZPO) festgesetzten Kosten des Rechtsstreits handelt. Mindestens in Höhe
der tatsächlich vollstreckten Gesamtsumme soll im Fall des § 709 Satz 2 ZPO die
unter Umständen notwendige Rückzahlung an den Schuldner abgesichert werden. In
eben dieser Höhe soll im Fall der Abwendung der möglichen Vollstreckung nach §
711 Satz 2 ZPO gesichert sein, dass der Betrag bei einer späteren Vollstreckung
durch den Gläubiger realisiert werden kann.
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cc) Dieser Zielsetzung entspricht es am besten, wenn die
Höhe der Sicherheitsleistung nach diesen Beträgen bestimmt wird. Ein solches
Verfahren begegnet auch keinen Schwierigkeiten. Der Gläubiger kann bei seinem
Vollstreckungsantrag die konkrete zu diesem Zeitpunkt vollstreckbare
Gesamtsumme (einschließlich etwaiger bis hierhin aufgelaufener titulierter
Zinsen) aus dem Urteil (gegebenenfalls in Verbindung mit einem
Kostenfestsetzungsbeschluss) errechnen und eine von ihm nach § 709 Satz 2 ZPO
zu leistende Sicherheit damit genau bestimmen. Das Vollstreckungsorgan kann
ebenso überprüfen, ob eine geleistete Sicherheit ausreicht. Der Schuldner, der
zur Abwendung der Vollstreckung eine Sicherheit nach § 711 Satz 2 ZPO stellen
will, kann ebenfalls (gegebenenfalls in Verbindung mit einem
Kostenfestsetzungsbeschluss) errechnen, welcher Gesamtbetrag zu einem
bestimmten Zeitpunkt vollstreckbar ist oder sein wird. Um zukünftige
Vollstreckungen vorsorglich abzuwenden, muss er allerdings bei titulierten
laufenden Zinsen auf einen in der Zukunft liegenden Zeitpunkt abstellen. Das
ist ihm zuzumuten. Es obliegt dann ihm, notfalls bei Zeitablauf seine
Sicherheiten zu erhöhen oder neue weitere Sicherheiten zu stellen, sofern er
nicht sofort eine entsprechende dynamische Sicherheit stellt, die sich laufend
erhöht. Auch hier kann das Vollstreckungsorgan ohne weiteres überprüfen, ob
eine gegebene Sicherheit ausreicht.
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dd) Ein etwaiger verhältnismäßiger
Aufschlag auf diese zu vollstreckenden oder vollstreckbaren Beträge muss dann
nur weitere denkbare Schäden aus der erfolgten Vollstreckung (§ 709 Satz 2 ZPO)
oder der verursachten Verzögerung (§ 711 Satz 2 ZPO) abdecken. Dieses Verfahren
entspricht auch der Gesetzesbegründung im Bericht des Rechtsausschusses
(BT-Drucks. 14/6036, S. 125) zu § 709 Satz 2 ZPO: "Die vorgeschlagene
Regelung lässt nunmehr zu, dass Urteile, die wegen einer Geldforderung für
vorläufig vollstreckbar zu erklären sind, gegen Sicherheitsleistung in Höhe des
jeweils beizutreibenden Betrages zuzüglich eines prozentualen Zuschlags für
Schäden des Schuldners, die über den beigetriebenen Betrag hinausgehen, für
vollstreckbar erklärt werden können. Damit wird die Tenorierung im Bereich der
Vollstreckbarkeitsentscheidung erheblich erleichtert." Hierauf nimmt die
Begründung des Rechtsausschusses zu § 711 Satz 2 ZPO (BT-Drucks. 14/6036, S.
125) Bezug: "Der neu eingefügte Satz 2 ermöglicht auch in den Fällen des §
711 ZPO eine vereinfachte Bestimmung der Sicherheitsleistung."
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b) Im vorliegenden Fall war die von den Schuldnern
geleistete Sicherheit nicht ausreichend, um den gesamten vollstreckbaren Betrag
aus dem Urteil des Oberlandesgerichts F. vom 13. April 2011 zu sichern. Denn
die Hauptforderung und die aufgelaufenen Zinsen beliefen sich bis zur
antragszurückweisenden Entscheidung des Amtsgerichts auf 9.012.106 €. 110 %
hiervon ergibt 9.913.316 €. Die Prozessbürgschaften der Schuldner beliefen sich
jedoch lediglich auf den Gesamtbetrag von 9.877.343,10 €.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.