BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
Hat der Gläubiger, der aus einem Zug-um-Zug-Titel vollstrecken will, im Hinblick auf §§ 765, 756 ZPO eine Feststellungsklage erhoben mit dem Ziel, festzustellen, dass der Schuldner hinsichtlich der vom Gläubiger Zug um Zug zu erbringenden Gegenleistung befriedigt ist, hängt die materielle Beweiskraft eines daraufhin ergangenen Feststellungsurteils von seiner Rechtskraft ab.
BGH, Beschluss vom 04.07.2018 - VII ZB 4/17
in dem
Zwangsvollstreckungsverfahren
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 4, Juli
2018 durch den Richter Dr. Kartzke und die
Richterinnen Graßnack, Sacher, Borris und Dr.
Brenneisen
beschlossen:
Auf die Rechtsmittel des Schuldners werden die Beschlüsse
der 34. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 5. Januar 2017 - 34 T 198/16 -
und des Amtsgerichts - Vollstreckungsgericht - Bergisch Gladbach vom 16.
September 2016 sowie der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts
– Vollstreckungsgericht - Bergisch Gladbach vom 22. März 2016 aufgehoben.
Der Antrag der Gläubigerin vom 11. März 2016 auf Erlass
eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Rechtsmittelverfahren hat die Gläubigerin zu
tragen.
Gründe:
I.
1
Die Gläubigerin betreibt gegen den Schuldner die
Zwangsvollstreckung aus dem rechtskräftigen Urteil des Landgerichts M. vom 6.
Februar 2012 (), mit dem der Schuldner zur Zahlung von 21.250.000 € nebst
Zinsen an die Gläubigerin Zug um Zug gegen Übergabe und Übertragung des
Eigentums an 2.500.000 Stück Aktien der C. AG verurteilt worden ist. Am 12.
Februar 2013 veräußerte die Gläubigerin die 2.500.000 Aktien der C. AG für
6.250.000 € im freihändigen Verkauf. Das Landgericht M. hat mit Urteil vom 22.
Februar 2016 () festgestellt, dass der Schuldner durch den freihändigen Verkauf
der Aktien der C. AG an die K. AG mit notariellem Kaufvertrag vom 12. Februar
2013 hinsichtlich der ihm aus dem Urteil des Landgerichts M. vom 6. Februar
2012 Zug um Zug gebührenden Übergabe und Übertragung des Eigentums an 2.500.000
Stück Aktien der C. AG befriedigt ist. Die dagegen gerichtete Berufung des
Schuldners hat das Oberlandesgericht M. mit Urteil vom 12. Januar 2017 zurückgewiesen.
Der Schuldner hat gegen dieses Urteil Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, über
die noch nicht entschieden ist.
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Auf Antrag der Gläubigerin hat das Amtsgericht -
Vollstreckungsgericht - am 22. März 2016 einen Pfändungs- und
Überweisungsbeschluss erlassen, mit dem diverse angebliche Forderungen und
Vermögensrechte des Schuldners gepfändet und der Gläubigerin zur Einziehung
überwiesen worden sind. Die vom Schuldner gegen den Pfändungs- und
Überweisungsbeschluss eingelegte Vollstreckungserinnerung, mit der der
Schuldner die Aufhebung des Beschlusses erstrebt hat, hat das Amtsgericht -
Vollstreckungsgericht - zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete sofortige
Beschwerde des Schuldners ist ohne Erfolg geblieben.
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Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde
möchte der Schuldner die Aufhebung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses
vom 22. März 2016 und die Zurückweisung des Antrags der Gläubigerin erreichen.
II.
4
Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2, § 575
ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache
Erfolg.
5
1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner
Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt, den Beweis, dass der Schuldner im
Verzug der Annahme sei, habe die Gläubigerin durch das Urteil des Landgerichts
M. vom 22. Februar 2016 ausreichend im Sinne des § 765 ZPO geführt. Das Urteil
stelle eine öffentliche Urkunde dar, dessen Abschrift dem Schuldner am 11. März
2016 zugestellt worden sei. Die fehlende Rechtskraft dieses Urteils stehe dem
nicht entgegen, weil der Nachweis auch durch öffentliche oder öffentlich
beglaubigte Urkunden geführt werden könne, die nicht der Rechtskraft fähig
seien. Für den Nachweis habe das Vollstreckungsgericht anhand der vorgelegten
Urkunden unter Heranziehung des zu vollstreckenden Titels selbständig zu
prüfen, ob sich daraus schlüssig ergebe, dass der Schuldner die ihm gebührende
Gegenleistung erhalten habe. Die Beweiskraft der Urkunden nach §§ 756, 765 ZPO
sowie die Zulässigkeit und die Anforderungen an den Gegenbeweis richteten sich
nach den allgemeinen Vorschriften und insbesondere den §§ 415 ff. ZPO. Aus dem
Tenor des Urteils des Landgerichts M. vom 22. Februar 2016 ergebe sich
schlüssig, dass die Gegenleistung erbracht worden sei.
6
Demgegenüber habe der Schuldner keinen ausreichenden
Gegenbeweis geführt. Der Beweis des Gegenteils könne sich bei einem Urteil nur
gegen die innere Beweiskraft richten und sei, wenn die Urkunde einen
rechtsmittelfähigen Inhalt habe, nur durch Einlegung des Rechtsmittels zu führen.
Allein die Einlegung und Begründung der Berufung könne dabei nicht ausreichen,
um den Gegenbeweis zu führen. Anderenfalls würde ein zur Verzögerung der
Zwangsvollstreckung eingelegtes Rechtsmittel privilegiert. Nach diesen
Maßstäben habe der Schuldner den Gegenbeweis nicht geführt. Die Berufung gegen
das Urteil des Landgerichts M. vom 22. Februar 2016 sei nicht zugunsten des
Schuldners entschieden worden. Das Berufungsgericht habe die vorläufige
Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts M. vom 22.
Februar 2016 mit Beschluss vom 17. Juni 2016 abgelehnt.
7
2. Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
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Die Auffassung des Beschwerdegerichts, die besonderen
Voraussetzungen für den Erlass des von der Gläubigerin beantragten Pfändungs-
und Überweisungsbeschlusses nach § 765 ZPO lägen vor, ist von Rechtsfehlern
beeinflusst.
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Hängt die Vollstreckung von einer Zug um Zug zu bewirkenden
Leistung des Gläubigers an den Schuldner ab, so darf das Vollstreckungsgericht
nach § 765 Nr. 1 1. Halbsatz ZPO eine Vollstreckungsmaßregel nur anordnen, wenn
der Beweis, dass der Schuldner befriedigt oder im Verzug der Annahme ist, durch
öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunde geführt wird und eine Abschrift
dieser Urkunde bereits zugestellt ist. Für die Beweisführung durch eine
öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunde kommt es auf deren Beweiskraft
an, die nach den §§ 415 ff. ZPO zu beurteilen ist.
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Im Streitfall geht es um die Frage, ob der Beweis, dass der
Schuldner hinsichtlich der Zug um Zug zu bewirkenden Leistung der Gläubigerin
(Übergabe und Übertragung des Eigentums an 2.500.000 Stück Aktien der C. AG)
befriedigt ist (§ 765 Nr. 1 Halbsatz 1 Fall 1 ZPO), durch das nicht
rechtskräftige Feststellungsurteil des Landgerichts M. vom 22. Februar 2016
geführt wird. Das ist nicht der Fall.
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a) Nach § 417 ZPO begründen die von einer Behörde
ausgestellten, eine amtliche Anordnung, Verfügung oder Entscheidung
enthaltenden öffentlichen Urkunden vollen Beweis ihres Inhalts. Dies bedeutet,
dass die Urkunde über den Erlass eines Urteils nach § 417 ZPO den Beweis dafür
erbringt, dass die darin beurkundete Entscheidung ergangen ist, nicht jedoch
den Beweis für ihre inhaltliche Richtigkeit (vgl. BGH, Urteil vom 15. März 2012
- IX ZR 239/09 Rn. 21, NJW-RR 2012, 823; OLG München, JurBüro 2017, 266, juris Rn. 31; OLG Köln, RNotZ
2009, 240, juris Rn. 19; MünchKommZPO/Schreiber,
5. Aufl., § 417 Rn. 3, 6; Stein/Jonas/Berger, ZPO, 23. Aufl., § 417 Rn. 2;
Zöller/Geimer, ZPO, 32. Aufl., § 417 Rn. 2; Musielak/Voit/Huber, ZPO, 15.
Aufl., § 417 Rn. 2).
12
Hat der Gläubiger, der aus einem Zug-um-Zug-Titel
vollstrecken will, im Hinblick auf §§ 765, 756 ZPO eine Feststellungsklage
erhoben mit dem Ziel, festzustellen, dass der Schuldner hinsichtlich der vom
Gläubiger Zug um Zug zu erbringenden Gegenleistung befriedigt ist, hängt die
materielle Beweiskraft eines daraufhin ergangenen Feststellungsurteils von
seiner Rechtskraft ab (vgl. MünchKommZPO/Heßler, 5.
Aufl., § 756 Rn. 45; Stein/Jonas/Berger, ZPO, 23. Aufl., § 417 Rn. 3; OLG
München, JurBüro 2017, 266, juris Rn. 26; LG
Augsburg, JurBüro 1994, 307, juris Rn. 17). Der
gerichtliche Feststellungsausspruch erlangt für die Parteien Bindungswirkung
erst mit der Rechtskraft des Feststellungsurteils. Nach Eintritt der
Rechtskraft richtet sich das Rechtsverhältnis der Parteien nach dem Inhalt der
getroffenen Feststellung, ohne dass eine der Parteien geltend machen könnte,
die Feststellung sei inhaltlich unrichtig getroffen worden (vgl.
Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 22. Aufl., § 322 Rn. 34).
13
b) Anders als die Rechtsbeschwerdeerwiderung meint, ergibt
sich daraus, dass nicht der Rechtskraft fähige öffentliche Urkunden zum
Nachweis dafür, dass der Schuldner hinsichtlich einer Zug um Zug zu bewirkenden
Gegenleistung befriedigt ist, herangezogen werden können, nicht, dass im
Zusammenhang mit der nach §§ 765, 756 ZPO geforderten Beweisführung durch
öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunde in keinem Fall auf den Eintritt
der Rechtskraft eines Urteils abgestellt werden darf. Welche Beweiswirkung sich
aus einer öffentlichen Urkunde ergibt, bestimmt sich jeweils unter Heranziehung
der §§ 415 ff. ZPO. Die formelle Beweiskraft eines nicht rechtskräftigen
Feststellungsurteils, mit dem festgestellt wird, dass der Schuldner
hinsichtlich der Gegenleistung befriedigt ist, ermöglicht daher gerade nicht
die Beweisführung dafür, dass dies tatsächlich der Fall ist. Die dem
Feststellungsurteil zugrunde liegende rechtliche Bewertung des Gerichts wird
zwischen den Parteien des Verfahrens erst verbindlich, wenn das Urteil
rechtskräftig ist.
14
c) Eine andere Betrachtung ist nicht geboten, weil in der
Rechtsprechung die Möglichkeit anerkannt ist, im Erkenntnisverfahren einen Zug
um Zug gegen Erbringung einer Gegenleistung gestellten Zahlungsantrag mit dem
Antrag zu verbinden, festzustellen, der Beklagte befinde sich in Bezug auf die
Gegenleistung im Verzug der Annahme (vgl. BGH, Urteil vom 28. Oktober 1987 -
VIII ZR 206/86, juris Rn. 21 m.w.N., WM 1987, 1496).
In diesem Fall rechtfertigt das aus prozessökonomischen Gründen anzuerkennende
rechtliche Interesse des Gläubigers gemäß § 256 Abs. 1 ZPO, seinen Zug um Zug gestellten Zahlungsantrag mit einem
Feststellungsantrag zum Vorliegen des Annahmeverzugs zu verbinden. Die durch
diese Feststellung bezweckte Beweisführung im Sinne des § 765 Nr. 1 Halbsatz 1
Fall 2 ZPO ist schon dann anzuerkennen, wenn die Voraussetzungen für die
Vollstreckung des Leistungsurteils, mit dem der Feststellungsausspruch
lediglich als Annex verbunden ist, gegeben sind. Die von der Gläubigerin
nachträglich erhobene Feststellungsklage betrifft indes die Feststellung, dass der
Schuldner durch den Verkauf der 2.500.000 Stück Aktien der C. AG hinsichtlich
der ihm aus dem Urteil des Landgerichts M. vom 6. Februar 2012 Zug um Zug
gebührenden Übergabe und Übertragung dieser Aktien befriedigt ist (§ 765 Nr. 1
Halbsatz 1 Fall 1 ZPO).
15
d) An einer solchen rechtskräftigen Feststellung, dass der
Schuldner hinsichtlich der Zug um Zug zu erbringenden
Gegenleistung, der Übergabe und Übertragung des Eigentums an 2.500.000 Aktien
der C. AG, befriedigt ist, fehlt es hier. Das Urteil des Landgerichts M. vom
22. Februar 2016, in dem festgestellt wird, dass der Schuldner hinsichtlich der
ihm aus dem Urteil des Landgerichts M. vom 6. Februar 2012 gebührenden
Zug-um-Zug-Leistung befriedigt ist, ist nicht rechtskräftig.
16
3. Die Entscheidungen des Beschwerdegerichts und des
Amtsgerichts - Vollstreckungsgericht - sowie der hierdurch bestätigte
Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 22. März 2016 können danach keinen
Bestand haben und sind aufzuheben. Der Antrag der Gläubigerin auf Erlass eines
Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses ist zurückzuweisen. Der Senat hat gemäß
§ 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO in der Sache selbst zu entscheiden, da die Aufhebung
der Entscheidungen nur wegen einer Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts
auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur
Endentscheidung reif ist.
III.
17
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.